Schließe mal die Augen und denke an Männer. Schön, oder? Große Männer, dicke Männer, Männer mit Muskeln und Haaren überall. Moschus liegt in der Luft, deine Wangen kratzen schon von den sekündlich nachwachsenden Bartstoppeln. Hmm. Testosteron so weit das Auge reicht, herrlich. Und jetzt stell dir mal vor, einer dieser Prachtkerle trägt eine Leggings. Yay oder nay? Ich gebe es ja zu: ich habe mir jahrelang gewünscht, die Männerwelt möge die Hosen aus den Kniekehlen nach oben ziehen und mir den Anblick der karierten H&M Boxershorts ersparen. Nicht aber, weil ich ein prüder Idiot bin, sondern einfach, weil ich Unterwäsche anderer Menschen ungefähr so gern sehe, wie einen Pickel auf meiner Nase.
Warum aber wollen Männer, die vor gar nicht mal so langer Zeit versucht haben in den Kniekehlen hängende Baggy Pants gesellschaftsfähig zu machen, jetzt ihre Körper in enge Leggings quetschen? Ist das nicht unbequem? Oder ungesund? Holt sich der modebewusste Mann von heute eigentlich nur Schritt für Schritt das zurück, was einst ohnehin lediglich ihm vorbehalten war?
Ohne Leggings, keine Meggings.
Die Meggings ist, wie soll es auch anders sein, die Tochter, äh pardon, der Sohn der Leggings. Ihr Markenzeichen ist die hautenge Passform, die vor allem die Beine, aber auch den Po oder, wie jetzt die Meggings, das Gemächt in Szene setzt. Wer denkt, dass das hautenge Höschen einst für Yoga und tolle Instagram-Posts erfunden wurde, irrt. Und zwar gewaltig! Strumpfhosen und Leggings standen schon im 16. Jahrhundert ganz oben auf der Liste der Modetrends und waren vor allem – Achtung: fun fact – den Männern vorbehalten. Glaubst du nicht? Dann geh´ mal in die nächste Gemäldegalerie und guck dich mal ein bisschen um. Schon ein Jahrhundert später trugen beide Geschlechter gern Leggings, vor allem weil sie Schutz vor Kälte boten. Die Leggings à la Eric Prydz, in knalligen Farben und aus leicht entzündlichen Fasern, tauchte erst viel später im Dunstkreis der Modeindustrie auf. Könnt ihr euch eigentlich noch an die Jeggings oder Treggings erinnern? Wenn die Meggings die Tochter der Leggings ist, sind diese beiden hautengen Kandidaten sozusagen Meggings´ Tanten. Ich selbst hatte sie in jeder Farbe des Regenbogens und trug sie mit Stolz. Bis ich nach dem Abitur direkt hinein ins seriöse Leben fiel. Apropos Seriosität, was sagt eigentlich ein bekennender Meggingsträger zum neuen Modetrend?
„Meggings machen Männer männlicher“
Nach der gewöhnungsbedürftigen Skinny Jeans war die Meggings eigentlich ein ganz natürlicher Schritt. Sie ist sozusagen das zwischenzeitliche Ergebnis der evolutionären Entwicklung männlicher Beinbekleidung. „Sind die nicht wahnsinnig unbequem?“, frage ich meinen Freund Alex, der seine Meggings vor allem auf Festivals und den restlichen Tanzflächen dieser Stadt gern trägt. „Nee du. Die sind der Inbegriff des Komfortablen“, antwortet er und lächelt selig, als er auf seine blaugraue Meggings herunterschaut.
„Aber ist das (ich deute mit dem Kinn auf seinen Schritt) nicht ein bisschen… viel?“, frage ich. „Ach so“, sagt er und fängt an zu lachen. „Nein! Ich dehne den Schritt vor´m Tragen immer ein bisschen. Dann ist mehr Platz.“ Die Liebe zur Meggings erwachte bei Alex schon vor 13 Jahren. Damals hießen Meggings allerdings noch Leggings und waren ein absolutes No-Go für den pubertären Mann von Morgen. Alex spielte damals den Romeo bei der jährlichen Schulaufführung und schlüpfte sozusagen für die Kunst in die hautenge Hose. „Damals habe ich es niemandem gesagt, aber die waren sowas von bequem“, sagt er und grinst. „Mode ist viel zu oft mit geschlechtsspezifischen Attributen belegt“, sagt er und ich nicke.
Männer in Kleidern? Pfui Teufel! Frauen mit Krawatte? Passt nicht! Männer in Meggings? Schwul! Das sind nur ein paar der Vorurteile, denen ich während meiner Recherche für diese Kolumne begegnete. Während Alex für seine Meggings schon des Öfteren als „Homo“ bezeichnet wurde, war mir vorher nicht wirklich bewusst, dass es Dinge gibt, die nur Frauen oder nur Männer tragen dürfen. Was auf den Körper kommen darf, scheint für die breite Öffentlichkeit also nicht etwa Karl Lagerfeld oder Mango, sondern vor allem das Geschlecht zu bestimmen.
Gender-Mauern in der Modewelt
Über Geschmack lässt sich ja bekanntlich (nicht) streiten. Ob du haarige Männerbeine in engen (okay… sehr engen) Hosen jetzt magst oder nicht, ist mir persönlich eigentlich schnurzpiepegal. Worüber man sich aber meiner Meinung nach getrost aufregen darf, ist der gewählte Name für das Kleidungsstück. Schon klar, Meggings sind für Männer und Leggings für Frauen, aber nervt diese engstirnige Herumgenderei nicht irgendwie? Zumal sie ja auch noch falsch ist. Denn: Wenn die Meggings eine Leggings für Männer ist, müsste das Pendant dazu dann nicht eigentlich Feggings heißen? Denk mal drüber nach… Für wen die Meggings noch nicht genug geschlechtsspezifische Korinthenkackerei ist, der kann ja mal nach RompHim googeln. Das ist nichts anderes als ein Jumpsuit für Männer. Ja, liebe Modewelt, Männer haben auch Beine, Arme, Bäuche, Hände und einen Sinn für Mode. Du musst dir nicht für jeden Trend einen supermännlichen Namen einfallen lassen. Wenn ein Mann Leggings tragen will, kauft er sich auch Leggings. Just get over it.
Und das Ende der Geschicht´
…die Meggings mag man oder nicht. Spiderman trägt sie, Justin Bieber trägt sie, Alex trägt sie und wahrscheinlich schon bald jeder fünfte Hipster aus Maxvorstadt, so what? Wenn der Mann von heute die Buxe unbedingt knalleng tragen will, soll er das doch einfach machen. Gönnen wir ihm mal ein bisschen Abwechslung, ein bisschen Komfort und ein bisschen mehr Beinfreiheit. Schließlich erträgt die Männerwelt unsere Modefauxpas ja auch (Stichwort Jumpsuit).
Eigentlich holt sich der Mann jetzt ohnehin nur zurück, was schon jahrhundertelang ihm gehört. Würde Shakespeare noch unter uns weilen, wäre er stolz auf die Menschen mit dem Y-Chromosom! Schluss mit dem Klamotten-Shaming! Männer – holt euch die Meggings, wenn ihr wollt! Ob der Trend ein abruptes Ende findet, sobald die Männerwelt feststellt, dass so eine Meggings gar keine Taschen hat? Wir werden´s sehen.